Teilprojekt „Mathematische Denkstile im Blick“
Hintergrund
Das Teilprojekt „Mathematische Denkstile im Blick“ ist im Rahmen einer Fachtagung „Mathematik“ mit dem Team der Mathematikdidaktik der Universität Siegen im Schulversuch KI@school entstanden. Dort wurden erste Erkenntnisse und Beobachtungen, die im Rahmen vorheriger Forschungsprojekte der Universität Siegen gemacht wurden, vorgestellt. Entsprechend des ursprünglich von Schwank (2003) entwickelten Ansatzes existieren zwei unterschiedliche basale Fähigkeiten menschlicher Kognition:
„Wir kennen einmal [a] die Empfänglichkeit eines Gehirns für Gleichheiten (etwas anspruchsvoller: für Ähnlichkeiten/Verwandschaften), die in Gedanken genutzt werden können, um Elemente in einen systematischen, strukturellen Zusammenhang zu bringen, die Gleichartigkeit fungiert dabei als Ordnungskriterium; zum anderen [b] die Empfänglichkeit eines Gehirns für Unterschiedlichkeiten, die in Gedanken genutzt werden können, um Elemente durch einen diese Unterschiedlichkeiten bewirkenden Konstruktionsprozess (etwas anspruchsvoller: durch Verkettungen von mehreren unterschiedlichen Konstruktionsprozessen) auf die Reihe zu bringen, die Unterschiedlichkeit fungiert dabei als Herstellungskriterium.“ (Schwank, 2003, S. 70)
Zur Unterscheidung dieser beiden kognitiven Herangehensweisen führt Schwank (2003) die Begriffe [a] „prädikatives Denken“ und [b] „funktionales Denken“ ein. Beim Bearbeiten von Aufgaben, dies zeigen u. A. Untersuchungen mit EEG und Eye-Tracking, wird von Individuen häufig eine der Denkweisen bevorzugt aktiviert (Mölle et al., 2000; Pielsticker et al., 2022). Und auch in weiterer mathematikdidaktischer Forschung wurde untersucht, wie sich Mathematikaufgaben gestalten lassen, sodass sie spezifisch bei einer der Denkweisen Anklang finden (Sjuts, 2002; Eckhardt & Pielsticker, 2025, im Review).
Schwank (2003) folgend sind in der Schulmathematik (insbesondere mit Blick in die Grundschule) vor allem Materialien verbreitet, die eher prädikativ-denkende Lernende ansprechen. Es ist anzunehmen, dass die bevorzugte Denkweise der Lehrkraft dabei Einfluss auf die Aufgabenauswahl entsprechend dem präferierten Denkstil hat (Borromeo Ferri, 2004). Der bewusste Wechsel zwischen den Denkweisen stellt eine grundsätzliche Hürde dar. Damit ist es herausfordernd, allen Denkerinnen und Denkern im Klassenraum Zugang zu mathematischen Inhalten im gleichen Maß zu ermöglichen.
Zielsetzung
Im Schulversuch KI@school knüpfen wir an den oben beschriebenen Erkenntnissen an und wollen erforschen, ob Künstliche Intelligenz in diesem Bereich Potential für individualisiertes Lehren und Lernen bietet.
Mit Hilfe geeigneter KI-Anwendungen gestalten und erstellen Lehrkräfte Unterrichtsmaterialien, die die geschilderten unterschiedlichen Denkweisen spezifisch ansprechen sollen und somit langfristig fordern und fördern könnten. In einem nächsten Schritt sollen gemeinsam mit den Lehrkräften KI-Assistenten erstellt werden, welche helfen sollen, die unterschiedlichen Denkstile automatisiert zu adressieren. Sollte dies gelingen, könnten diese KI-Assistenten in Zukunft beispielsweise als Reflexionstool für einen „denkstilgerechten“ Unterricht eingesetzt werden.
Wissenschaftliche Begleitung
Das Teilprojekt wird in Kooperation mit der Universität Siegen (Prof. Dr. Ingo Witzke –Direktor Mathematikdidaktik) im Rahmen des Schulversuches KI@school durchgeführt. Für das Teilprojekt „Mathematische Denkstile im Blick“ sind dabei Dr. Felicitas Pielsticker und Marie Eckhardt (Universität Siegen) zuständig.
Prof. Dr. Ingo Witzke
Dr. Felicitas Pielsticker
Marie Eckhardt
Literatur
Borromeo Ferri, R. (2004). Mathematische Denkstile – Ergebnisse einer empirischen Studie. Verlag Franzbecker.
Eckhardt, M. & Pielsticker, F. (2025, im Review). Förderung mathematischer Denkstile durch KI? – Eine Fallstudie zum Einsatz von LLMs am Beispiel von ChatGPT. In F. Dilling & I. Witzke (Hrsg.), Digitaler Mathematikunterricht in Forschung und Praxis III. Tagungsband zur Vernetzungstagung 2024 in Siegen. WTM.
Mölle, M.; Schwank, I.; Marshall, L., Klöhn, A.; Born, J. (2000). Dimensional Complexity and Power Spectral Measures of the EEG during Functional versus Predicative Problem Solving. Brain and Cognition, 44, 547–563. https://doi.org/10.1006/brcg.2000.1215
Pielsticker, F., Pielsticker, C., Witzke, I. (2022). Mathematisches Wissen erinnern – verschiedene Perspektiven auf nachhaltige Lernprozesse. Diagonal. Zeitschrift der Universität Siegen. 43, 55-80. https://www.uni-siegen.de/fb6/didaktik/personen/ingo-witzke/documents/ unf9783847014768.1.55.pdf
Schwank, I. (2003). Einführung in prädikatives und funktionales Denken. ZDM: The International Journal on Mathematics Education, 35(3), 70–78. https://doi.org/10.1007/s11858-003-0002-5
Sjuts, J. (2002). Unterschiedliche mentale Konstruktionen beim Aufgabenlösen. Journal für Mathematikdidaktik, 23(2), 106-128.
WEITERES AUS DEM SCHULVERSUCH
Material
Bekanntmachung zum Teilprojekt 1
Partner
Ansprechpartner
Carina Geier
Tel.: 089 2186-1891
> E-Mail
Stiftung Bildungspakt Bayern
Geschäftsstelle:
c/o Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Jungfernturmstraße 1
80333 München
Tel.: 089 2186-2091
Fax: 089 2186-2833
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